Baugeschichte - Architekturjournalismus |
Ulrich Coenen |
Aufriss der Bergseite Bühlerhöhes: Originaler Entwurf von Wilhelm Kreis (Stadtgeschichtliches Institut Bühl) | Bergseite Bühlerhöhes: Der Entwurf von Wilhelm Kreis wurde aus Kostengründen reduziert. |
Bühlerhöhe und Wilhelm Kreis
Wilhelm Kreis gehört zu den bedeutendsten deutschen Architekten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er arbeitete als Architekt im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im NS-Staat und in der jungen Bundesrepublik. Sein Leben ist typisch für das vieler Architekten seiner Generation.
Ich habe mich intensiv mit Bühlerhöhe, einem der wichtigsten Bauwerke aus der ersten Schaffensperiode von Wilhelm Kreis, beschäftigt. In zwei Publikationen (diese finden sich im Literaturverzeichnis am Ende dieser Seite) habe ich meine Forschungsergebnisse dokumentiert.) Hinzu kommen zahlreiche Zeitungsbeiträge über Bühlerhöhe aus drei Jahrzehnten in den Badischen Neuesten Nachrichten.
Das ursprünglich als Offiziersgenesungsheim konzipierte Gebäude, das seit 1920 als Hotel genutzt wird, nimmt im Werk von Wilhelm Kreis eine Sonderstellung ein. Kreis realisierte nur wenige Wohnbauten und Hotels. Mit Ausnahme von Bühlerhöhe erhielt keines die Gestalt eines Schlosses.
Bühlerhöhe ist ein Mythos. Grund ist nicht allein das
traurige Schicksal der Bauherrin, sondern vor allem die spektakuläre Architektur
von Wilhelm Kreis. Heute würde man den Düsseldorfer Professor einen
Star-Architekten nennen. Vor einem Jahrhundert befand sich Bühlerhöhe in einer
ähnlichen Krise wie heute. Das Schloss im Schwarzwald wurde nämlich in den
Jahren 1912 bis 1914 nicht als Hotel, sondern als Offiziersgenesungsheim erbaut.
Das ging aber nie in Betrieb.
Die Architektur Bühlerhöhes ist untrennbar mit der Bauherrin verbunden. Sie
wurde 1871 als Tochter des reichen jüdischen Kaufmanns Julius Schottländer
geboren und war in erster Ehe mit dem Bankier Carl Pringsheim verheiratet. Diese
Beziehung ging in die Brüche, weil sie Oberst Wilhelm Isenbart kennenlernte.
Zum Entsetzen ihrer Eltern ließ sich Hertha scheiden, heiratete den Oberst und trat zum Protestantismus über. Nach diesem gesellschaftlichen Skandal wandte sich die Familie Schottländer von Hertha ab und enterbte sie. Das Pflichtteil betrug aber weit über drei Millionen Reichsmark.
Auch Wilhelm Isenbart brachte die Ehe mit der geschiedenen Jüdin kein Glück. Gesellschaftlich wurde das Paar geschnitten. Nach der Beförderung zum Generalmajor musste Isenbart den Militärdienst quittieren. Damit endete nicht nur seine militärische Karriere, auch Herthas großer Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung in Adels- und Offizierskreisen wurde zerstört. Das Paar fand keinen Zugang zur gesellschaftlichen Oberschicht. So war es fast immer auf Reisen.
Der tragische Wendepunkt in Hertha Isenbarts Leben war der plötzliche Tod des Generals 1908 in Ägypten. Die Witwe war untröstlich. Sie lebte von diesem Zeitpunkt an nur noch für ein Ziel: Sie wollte ihrem geliebten Mann in Form eines Offiziersgenesungsheims ein Denkmal setzen. Dieses sollte dem deutschen Kaiser Wilhelm II. als Schenkung übereignet werden. „Vielen zur Genesung, einem zum Gedächtnis“ ließ sie später als Inschrift über dem Tor zum Schlosshof Bühlerhöhes anbringen.
Kreis erhielt 1911 von der Generalswitwe den Auftrag, ein Offiziersgenesungsheim für zwölf Gäste zu planen, das neben Gesellschafts-, Schlaf- und Wohnräumen auch Personalwohnungen sowie ärztliche Behandlungsräume aufnehmen sollte. Das Gebäude sollte auf dem Kolbergfelsen im Schwarzwald in der Gemarkung Bühl (Baden) inmitten eines Parks mit Pavillons liegen. Nach der Besichtigung des Geländes durch Kreis entstanden zwei Entwürfe. Der erste stellte eine fast rechteckige, einen Innenhof umschließende Schlossanlage dar, an deren Südseite der Architekt einen Turm vorsah. Der zweite Entwurf, der schließlich zur Ausführung kam, sah einen zentralen Rundturm mit zwei Schlossflügeln vor, an dessen Ostseite ein großer Ehrenhof anschloss.
Im Herbst 1912 entließ Hertha Isenbart den örtlichen Bauleiter Nellissen, der allzu verschwenderisch mit dem Kapital der Bauherrin umgegangen war. Kreis hatte sie vergeblich vor ihm gewarnt. Seine Aufgabe übernahmen nun Curt Rüschhoff aus Neuwied, der bisher bereits in Kreis´ Düsseldorfer Atelier mit Detailplanungen für Bühlerhöhe befasst war, und auf Rüschhoffs besonderen Wunsch sein ehemaliger Kommilitone Hans Woltmann aus Elberfeld. Mit der offiziellen, geschäftsführenden Bauleitung beauftragte Isenbart am 1. Juni 1913 das Baden-Badener Architekturbüro Scherzinger und Härke, das für die Kontakte mit Behörden und die Abrechnungen der Handwerker zuständig war.
Weil Nellissens Misswirtschaft wesentlich mehr Kosten als beabsichtigt verursacht hatte, legte Rüschhoff den Bau nach der Fertigstellung der Eisenbetondecke über dem Untergeschoss zu Beginn des Winters 1912 bis zum Juni des Jahres 1913 still. Im Frühjahr 1913 stellte Kreis der Bauherrin einen reduzierten Entwurf vor, den diese nicht akzeptierte, sie wollte - obwohl ihr Vermögen durch Nellissens Misswirtschaft geschrumpft war - das ursprüngliche Konzept möglichst unverändert umsetzen. Das Verhältnis zwischen der Bauherrin und ihrem Architekten war inzwischen deutlich abgekühlt. Kreis beauftragte Rüschhoff und Woltmann, den Wünschen Isenbarts Rechnung zu tragen und das Projekt in seinem Sinne zu vollenden.
Seine ursprüngliche Aufgabe als Genesungsheim für Offiziere erfüllte Bühlerhöhe nie. Im September 1914 wollte Hertha Isenbart das Haus Kaiser Wilhelm II. übergeben. Doch einen Monat zuvor, am 1. August, brach der Erste Weltkrieg aus, die Regierung hatte jetzt andere Probleme. "Hier stehe ich vor den Trümmern meiner Habe", sagte die Generalswitwe unmittelbar nach Kriegsausbruch zu Curt Rüschhoff. Die Handwerker mussten ihre Werkzeuge an den Nagel hängen und Gewehre in die Hand nehmen.
Aufriss der Talseite Bühlerhöhes: Originaler Entwurf von Wilhelm Kreis (Stadtgeschichtliches Institut Bühl) |
Das Schloss im Schwarzwald lag verlassen, die letzten Arbeiten konnten nur noch schleppend vollendet werden. Hertha Isenbart wurde immer häufiger von schweren Depressionen heimgesucht. Ihr Lebenswerk war verloren, das Millionenvermögen geschmolzen. Von einem Felsen in der Nähe Bühlerhöhes stürzt sie sich in die Tiefe und überlebte wie durch ein Wunder. Nach einem Krankenhausaufenthalt in Baden-Baden zog sie ins dortige Hotel Stephanie und litt erneut unter Depressionen.
Am 5. Juli 1918 nahm sie eine Überdosis Schlaftabletten und starb. Wenige Monate später, am 9. November 1918, dankte Wilhelm II. ab. Es gab kein Reich und keinen Kaiser mehr. Nach dem Tod der Bauherrin wurde das Offiziersgenesungsheim 1920 an private Investoren verkauft und 1921 zu einem Kurhaus umgebaut. Im Laufe der Jahrzehnte erfuhr das Gebäude durch die Hotelnutzung viele unglückliche Erweiterungen.
Schloss mit zwei verschiedenen Ansichten
Bühlerhöhe ist ein Schloss mit zwei völlig unterschiedlichen „Gesichtern“. Dass seine Häuser zwei grundverschiedene Ansichten haben können, hatte Kreis bereits bei mehreren Villen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gezeigt. Die bedeutendste ist Haus Siersdorpp bei Eltville, der Geburtsstadt des Architekten.
Diese Entwicklung fand ihren beispiellosen Höhepunkt in Bühlerhöhe. Der heiteren Architektur der Talseite in der Formensprache eines barocken Schlosses steht die strenge Bergseite gegenüber. Vorbild für Bühlerhöhe ist Schloss Stupinigi bei Turin, ein ehemaliges Jagdschloss der italienischen Königsfamilie aus dem 18. Jahrhundert.
Bühlerhöhe orientiert sich stilistisch am neuzeitlichen Festungsbau, am mittelalterlichen Burgenbau und am barocken Schlossbau. Die Bergseite Bühlerhöhes wird also durch Elemente aus dem mittelalterlichen Burgenbau und dem neuzeitlichen Festungsbau (wie er seit dem 16. Jahrhundert als Reaktion auf die Pulvergeschütze üblich wurde) charakterisiert. Die Lage des Hotels auf einem Berg erinnert ebenfalls mehr an eine Höhenburg als an ein Schloss.
Die Bergseite steht in jedem Fall im deutlichen Gegensatz zur barocken Schlossarchitektur der Talseite, Bühlerhöhe hat also zwei grundverschiedene Ansichten. Das Vorbild für das Schloss im Schwarzwald befindet sich in Norditalien. Als Wilhelm Kreis 1912 mit dem Bau des Genesungsheimes für Offiziere begann, stand das barocke Jagdschloss Stupinigi bei Turin Pate. Filippo Juvarra erbaute es ab 1729 im Auftrag von König Vittorio Amedeo II. von Piemont-Sardinien. Seine Familie, das Haus Savoyen, stellte ab 1861 mit Vittorio Emanuelle II. den italienischen König; Stupinigi, das die Nachfolger Juvarras zum Wohn- und Residenzschloss ausbauten, wurde bis 1919 durch die königliche Familie genutzt.
Kreis´ Beziehungen zu Turin und damit zu
Schloss Stupinigi sind unübersehbar. Gemeinsam mit Peter Behrens, Hermann
Billing und Bruno Möhring vertrat er die deutsche Architektur auf der
Internationalen Ausstellung in Turin 1902. Im selben Jahr wurde er dort mit
einem Ehrendiplom ausgezeichnet. 1911 - also während der Arbeiten am Entwurf für
Bühlerhöhe - unternahm Kreis eine Italienreise, ob er Stupinigi damals noch
einmal besuchte, ist nicht bekannt, aber zu vermuten.
Der Grundriss Stupinigis ist X-förmig, im Zentrum befindet sich ein höherer
Rundbau. Wilhelm Kreis halbiert diese Grundrissform für Bühlerhöhe, doch darin
erschöpft sich die Vorbildfunktion Stupinigis nicht. Auch die Aufrissgestaltung
der dem Tal zugewandten Schlossfassade Bühlerhöhes ist ähnlich. Charakteristisch
sind die Geschosseinteilung und die Wandgliederung. Die beiden unteren Geschosse
der Schlösser Stupinigi und Bühlerhöhe werden durch Lisenen bzw. Pilaster in
Kolossalordnung zusammengefasst. Für die Balustrade der nicht ausgeführten
Turmplattform Bühlerhöhes sah Kreis Skulpturen vor, wie sie Juvarra in Stupinigi
realisierte.
Die Vorbildfunktion des königlichen Jagdschlosses geht bis ins Detail. Die sogenannte Hirschterrasse an der Talseite Bühlerhöhes wird von zwei großen Skulpturen eines liegendes Rothirschs und einer liegenden Hirschkuh flankiert, die Hermann Geibel geschaffen hat. In den erhaltenen Entwürfen Kreis´ von 1912 sind an dieser Stelle noch mythologische Wesen, unter anderem ein Zentaur, vorgesehen. Später entschieden sich Kreis und seine Assistenten Rüschhof und Woltmann für Skulpturen, die sich unmittelbar am Vorbild Stupinigi orientieren. Auf dem Turmdach des Jagdschlosses erhebt sich die überlebensgroße Skulptur eines stehenden Rothirsches, die Francesco Ladatte 1766 schuf.
An Juvarras Schlossanlage erinnert ebenfalls die Anlage eines Ehrenhofes durch niedrigere Wirtschaftsgebäude an der Eingangsseite Bühlerhöhes. Anders als Stupinigi, wo Juvarra einen regelmäßigen, siebenseitigen Ehrenhof schuf, erhielt Bühlerhöhe aus topografischen Gründen zwei miteinander verbundene quadratische Innenhöfe. Gravierend ist ein weiterer Unterschied. In Turin wurden die Hofseite des Schlosses und die Nebengebäude nicht in der Formensprache des Festungs- und Burgenbaus ausgeführt, sondern entsprechen formal der Gartenseite.
Doch es gibt auch andere Einflüsse für das Denkmalschloss Bühlerhöhe, das an Wilhelm Isenbarth erinnernt. Das Schloss als Denkmal für eine Person oder eine Familie ist eine typische Bauaufgabe des 19. Jahrhunderts. Beispiele sind Burg Hohenzollern, der Stammsitz des preußischen Königshauses, und die Schlösser des bayrischen „Märchenkönigs“ Ludwig II. Bühlerhöhe ist also in prominenter Gesellschaft.
Entwurfsskizze für Schloss Stupinigi von Filippo Juvarra (Stadtmuseum Turin) |
Vom Offiziersgenesungsheim zum Hotel
Nach dem „Aus“ für das Offiziersgenesungsheim überstand das Schloss die erste Bedrohung 1921 durch die Umwandlung in ein Kurhaus, das schließlich der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer in den 1950er Jahren zu seinem Feriendomizil wählte und damit berühmt machte. In den frühen 1980-er Jahren hatte die Schwarzwaldhochstraße ihre Anziehungskraft längst verloren. Der Sanierungsstau auf der Bühlerhöhe war gewaltig.
Durch die Vermittlung des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth rettete der Industrielle Max Grundig Bühlerhöhe und ließ es in den Jahren 1986 bis 1988 nach Plänen des Stuttgarter Büro Weidleplan aufwendig sanieren und erweiterten. Nach dem Tod Grundigs verkaufte die Max-Grundig-Stiftung das Schlosshotel (gemeinsam mit dem benachbarten Hotel Plättig) 1998 an den SAP-Gründer Dietmar Hopp.
Bühlerhöhe erlebte unter Grundig und Hopp mit zahlreichen prominenten Gästen eine neue Glanzzeit. Es wurde wieder Treffpunkt der Prominenten aus Politik und Showgeschäft. Nelson Mandela, Bill Clinton und Boris Becker gehörten zu den Gästen.Die Katastrophe begann 2010, als Hopp das Interesse an dem denkmalgeschützten Gebäude verlor und es an eine Investorengruppe um den ukrainischen Oligarchen Igor Bakai veräußerte. Das Hotel wurde geschlossen.
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Schloss Stupinigi bei Turin |
Bühlerhöhe in der Krise
Mehrere Architekten, unter anderem der britische Star-Architekt David Chipperfield, wurden mit beeindruckenden Erweiterungen beauftragt. Daraus wurde aber offensichtlich aus Geldmangel nichts. Die von Bakai gegründete Anna Maria Vermögensverwaltung GmbH ging im Sommer 2013 mit großem Theaterdonner in Insolvenz.
Im Dezember 2013 kauften kasachische Investoren Bühlerhöhe. Sie gründeten dafür die Bühlerhöhe Castle Invest GmbH. Die neuen Schlossherren besitzen in Baden-Baden mehrere Villen, unter anderem die Villa Stroh. Außerdem lassen sie mit großem Aufwand das ruinöse Schloss Seelach wieder aufbauen.
In den ersten Jahren zeigten sich die neuen Investoren sehr offen und ermöglichten den früheren Mitarbeitern 2016 sogar ein Ehemaligentreffen sowie den Badischen Neuesten Nachrichten und der Stadt Bühl im Rahmen der trinationalen Architekturtage unter meiner Leitung Führungen im Schlosshotel. Inzwischen sind die Kasachen auf Tauchstation. Trotz mehrfacher Anfrage der Redaktion zu den aktuellen Plänen per Telefon und Email gab es keine Reaktion.
Bühlerhöhe ist nach den Buchstaben des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz kein „normales“ Denkmal, sondern ein „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“. In diese Kategorie werden nur Gebäude von überregionaler oder nationaler Bedeutung eingeordnet.
Talansicht des Schlosshotels Bühlerhöhe |
Die Frage nach dem geheimnisvollen kasachischen Eigentümern Bühlerhöhes blieb offen. Eugen Theise, Redakteur und Osteuropa-Experte der Deutschen Welle, hat im Februar 2022 die Antwort gefunden. In einem umfangreichen Online-Beitrag verweist der Journalist auf die Familie des gestürzten kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Die russischsprachige Version dieses Artikels wurde in den ehemaligen Sowjetrepubliken bereits millionenfach aufgerufen. Im Beitrag wird spekuliert, dass sich der Clan mit Betongold im Westen gegen einen Machtverlust im Heimatland absichert.
Meine Recherchen haben 2014 ergeben, dass hinter den Bühler und Baden-Badener Immobilien die kasachische Familie Tskhaj steht. „Gesellschafter der Firmen hinter den Hotels und Schlössern war der kasachische Ölunternehmer Jakow Tskhaj“, berichtet nun auch Eugen Theise. „Bei einer Reihe von Geschäften, unter anderem in der Immobilienbranche, ist er, laut einer Datenbank des kasachischen Finanzministeriums, Juniorpartner von Nasarbajews Tochter Dinara und ihrem Ehemann Timur Kulibajew.“
Nasarbajew hat nach seinem Rücktritt 2019
die Macht in der ehemaligen Sowjetrepublik verloren. Nach den jüngsten Unruhen
in seinem Land hat ihn sein Nachfolger Qassym-Schomart Toqajew, ein früherer
Vertrauter, am 5. Januar auch als Vorsitzender des Sicherheitsrates entlassen.
Die Proteste gegen die Diktatur, die durch die Prunksucht der Oligarchen und die
soziale Ungerechtigkeit ausgelöst wurden, hat die neue Regierung im Januar mit
brutaler Gewalt beendet. Es gab mehr als 200 Tote und über 2.000 Verletzte.
„Für diskrete Investitionen ist der 71-jährige Tskhaj wohl der perfekte Mann“,
urteilt Theise. „Im Netz gibt es nicht einmal Bilder von ihm. Jahrelang flossen
Millionen nach Baden-Baden über Tskhajs kasachische Holding Dostar-Invest und
die Ölfirma Dostar Oil Service, bis das Stammkapital von Tskhajs
Immobilienfirmen in Deutschland auf über 100 Millionen Euro anwuchs.“ Der
kasachische Blogger Sandschar Bokajew sehe in Jakow Tskhaj lediglich einen
Strohmann.
Theise verweist auf das Recherchenetzwerk
OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project). Von Nursultan
Nasarbajew kontrollierte Stiftungen sollen unter dem Deckmantel karitativer
Zwecke ein Vermögen von weltweit rund acht Milliarden US-Dollar angehäuft haben.
Recherchen von Radio Liberty zufolge verfügt die Familie Nasarbajew über
Luxusimmobilien in Europa und in den USA im Wert von zirka 800 Millionen
US-Dollar. Dabei war Deutschland nicht Teil dieser Recherchen. Laut Theise sind
allein in die vier Baden-Badener Villen des Clans mehr als 100 Millionen Euro
geflossen.
Im Februar 2021 hat der damalige baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) einen „Runden Tisch“ für die Schwarzwaldhochstraße gegründet. Die meist denkmalgeschützten Höhenhotels sind zum Teil in einem erbärmlichen Zustand. Im Hinblick auf die schwierigen Eigentumsverhältnisse sah Wolf in der Enteignung das „schärfste Schwert“. „Wir haben es hier zum Teil mit Eigentümern zu tun, die komplett im Ausland abgetaucht sind“, meinte Wolf. „Da darf Enteignung kein Tabu sein. Die Bürger wundern sich ansonsten, wie machtlos die öffentliche Hand solchen Entwicklungen gegenüber steht.“